Die meisten Menschen sind von dem Höllenlärm, den Laubbläser erzeugen, genervt. Wegen der extremen Lautstärke gelten für den Gebrauch von Laubbläsern in Wohngebieten per Bundesverordnung stark eingeschränkte Betriebszeiten, deren Einhaltung allerdings niemand überwacht.
Eine überraschende Lösung für das Lärmproblem hat nun der Umwelt-, Planungs- und Bauausschuss (UPA) des Stadtrates gefunden. Entsprechend einer Sitzungsvorlage der Verwaltung beschloss der UPA mit großer Mehrheit:
Der Bauhof und die städtischen Einrichtungen dürfen weiterhin Laubbläser benutzen, aber – jetzt kommt’s – es sollen wie bisher (!) nur „geräuscharme Geräte“ eingesetzt werden. Die Frage, wie leise oder laut – gemessen in db(A) – die „geräuscharmen“ Laubbläser des Bauhofs sind, wurde in der UPA-Sitzung nicht gestellt.
Was sind geräuscharme Laubbläser? Gibt es solche Geräte überhaupt?
In der maßgeblichen, bundesweit geltenden Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung (32. BImSchV) wird der Begriff „geräuscharm“ nicht verwendet. Sie definiert aber den Begriff „lärmarme Geräte und Maschinen“. Gemäß dieser Definition müsste ein Laubbläser, um als lärmarm zu gelten, das EU-Umweltzeichen tragen. Doch das ist blanke Theorie, denn: Laubbläser mit EU-Umweltzeichen wurden noch nicht erfunden. Es gibt sie nicht.
Gibt es Laubbläser, die zwar kein EU-Umweltzeichen haben, aber trotzdem keinen Krach machen und deshalb vage als „geräuscharm“ bezeichnet werden? Die auf dem Markt angebotenen Profi-Geräte, die dem neuesten Stand der Technik entsprechen,haben Schallleistungspegel von rd. 100 db(A). Das entspricht etwa der Lautstärke eines Presslufthammers und ist der Germeringer Wortwahl zufolge also „geräuscharm“. Ach, du liebes Schilda.
Ordentlich und sauber
Die Germeringer Laubbläser sind nicht nur „geräuscharm“. Ihre Geräusche werden – wie ein Mitglied der CSU-Fraktion argumentierte – zudem nicht als störend empfunden, weil dank dieser Geräte hinterher „alles ordentlich und sauber“ ist.
Sauber wird es in der Tat. So sauber, dass Kleinsäuger wie z.B. Igel, die auf abgestorbenes Pflanzenmaterial und die darin lebenden Insekten angewiesen sind, ihre Nahrungsgrundlage und die für das Überleben im Winter benötigte Deckung verlieren.
Laubbläser machen auch den in der bodennahen Krautschicht lebenden Kleintieren den Garaus. Viele dieser Kleinlebewesen haben wichtige ökologische Funktionen für den Boden oder sind wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere wie z.B. Vögel. Den orkanartigen Angriff eines Laubbläsers – die Geräte erzeugen Windgeschwindigkeiten bis 350 km/h – überleben nur wenige. Trotzdem stellte eine SPD-Stadträtin lapidar fest, dass Laubbläser im Gegensatz zu Laubsaugern für Kleintiere ungefährlich sind. Im UPA (U wie Umwelt) regte sich kein Widerspruch.
Und was ist mit dem Feinstaub, der durch Laubbläser aufgewirbelt wird und der Bakterien, Sporen, Pilze und andere krankheitserregende Substanzen (z.B. aus Unrat, Mäuse- oder Hundekot) enthalten kann? Ganz einfach: Den sieht man nicht. Er kann daher den Eindruck, es sei „ordentlich und sauber“, nicht beeinträchtigen. Wie schön.
Obendrein Gesund
In der Debatte betonten mehrere Redner, dass ihnen die Gesundheit der Bauhof-Mitarbeiter wichtig sei, die Laubbläser die Arbeit erheblich erleichtern und ihr Einsatz deshalb unverzichtbar sei.
Es sei dahin gestellt, wie gut die rückentragbaren, ohne Betankung etwa 10 kg schweren, stark vibrierenden Laubbläser für die Gesundheit der Wirbelsäule sind.
Fürs Gehör sind Laubbläser zweifelsfrei keine Wohltat, auch wenn sie in Germering „geräuscharm“ genannt werden. Schon bei Pegeln mit nur 85 db(A) muss mit Hörschäden gerechnet werden. Das Tragen eines Gehörschutzes ist daher Pflicht.
Die Erhöhung der Feinstaubkonzentration und des Luftkeimgehaltes in der näheren Umgebung eines Laubbläsers wurde durch Untersuchungen u.a. des Umweltmedizinischen Informationsdienstes (UMID) nachgewiesen. Der UMID empfiehlt, Laubbläser nur mit Mund-/Atemschutz zu bedienen. Sind die Bauhof-Mitarbeiter verpflichtet, den zu tragen? Was wird Passanten und Anwohnern empfohlen?
Auch die Abgasemissionen von Laubbläsern sind äußerst problematisch. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes stößt der 2-Takt-Motor eines Laubbläsers 200 Mal so viel unverbrannte Kohlenwasserstoffe aus wie ein Pkw mit geregeltem Katalysator. Dazu kommen noch Stickoxide und Kohlenmonoxide. Richtig gesund ist das weder für die Umwelt noch für die Menschen. War aber im UPA kein Thema.
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Anlass für die Debatte und Beschlussfassung im UPA war ein Antrag von Stadträtin Ingeborg Keil (GRÜNE) vom Oktober 2013. Darin hatte sie u.a. gefordert, dass der städtische Bauhof auf den Einsatz von Laubbläsern verzichten soll.